Pflichten für Onlineshops gibt es, wie Sand am Meer! Dass sich die Vorgaben zu Informationen für Verbraucher nicht nur aus dem BGB ergeben, zeigt dieser Beitrag. Am Beispiel von Telekommunikationsprodukten zeigt sich, warum Unternehmen auf spezielle Vorschriften im Hinblick auf ihr Angebot achten sollten und weshalb zuviel Information auch schlecht sein kann.
Dieser Blogbeitrag behandelt ein sehr spezielles Thema, das wahrscheinlich nur wenige Leser direkt betreffen wird. Dennoch ist es sinnvoll, der Sache eine Chance zu geben. Denn zum Einen befasst sich „Recht strukturiert“ mit allen Bereichen der Digitalisierung – Telekommunikation gehört in jedem Fall dazu.
Zum Anderen dienen die besonderen Regeln und Informationspflichten gegenüber Verbrauchern bei Handy- und Festnetzverträgen als Beispiel für einen wichtigen Aspekt bei der Vermarktung gegenüber Endkunden: Verbraucher- oder allgemein kundenschützende Vorschriften ergeben sich nicht nur ganz allgemein aus dem BGB. Je nachdem, welche Produkte oder Dienstleistungen ein Unternehmen anbietet, tragen nationale oder europäische Vorschriften besonderen Eigenschaften oder Risiken dieser Angebote Rechnung, indem Anbietern zusätzliche Pflichten auferlegt werden. So ist es nicht nur bei Telekommunikationsprodukten.
Das Telekommunikationsrecht
Das Telekommunikationsrecht steht in diesem Beitrag daher stellvertretend für alle Produkte oder Dienstleistungen, für die es spezielle Vorgaben bei der Vermarktung über einen Onlineshop gibt. Hierzu muss man wissen, dass der Telekommunikationsmarkt ein verhältnismäßig stark regulierter Markt ist. Das hängt damit zusammen, dass die Telekommunikation ursprünglich eine Dienstleistung war, die ausschließlich staatlich durch die Post, später die Telekom, zur Verfügung gestellt wurde. Nachdem die Telekom in den 1990er Jahren privatisiert und der Markt für Wettbewerber geöffnet wurde, entstand nach und nach eine privatrechtliche Telekommunikationsbranche.
Dennoch benötigt der Markt bis heute eine Aufsicht, um den Wettbewerb nachhaltig zu gewährleisten. Diese Aufsicht wird von einer Behörde, der Bundesnetzagentur, übernommen. Sie hat nicht nur im Hinblick auf einen funktionierenden Wettbewerb eine wichtige Aufsichtsfunktion, sondern dient Kunden auch als Beschwerdestelle, wenn ein Anbieter nicht rechtmäßig handelt.
Geregelt ist das Telekommunikationsrecht im TKG, dem nationalen Telekommunikationsgesetz, welches durch europäische Verordnungen und Richtlinien – wie viele Gesetze – immer weiter auf EU-Ebene harmonisiert wird. Zuletzt gab es eine große TKG-Reform auf Basis einer europäischen Verordnung, die zum 01.12.2021 in Kraft trat. Das Gesetz eröffnet zudem an verschiedenen Stellen die Möglichkeit, dass bestimmte Rahmenbedingungen durch eine behördliche Verordnung der Bundesnetzagentur weiter konkretisiert werden. Dadurch können sich Pflichten und Rechte nicht nur aus dem TKG, sondern auch aus solchen behördlichen Verordnungen ergeben. Um eine solche handelt es sich zum Beispiel bei der sogenannten Transparenzverordnung. In dieser werden Telekommunikationsanbietern Pflichten im Zusammenhang mit dem Angebot ihrer Leistungen an Verbraucher auferlegt. Diese speziellen Informations- und Transparenzpflichten haben ihren Ursprung vor allem darin, dass Behörde und Gesetzgeber davon ausgehen, dass Mobilfunk- und Festnetzleistungen komplex sind und für den Endkunden ein erhöhter Erklärungsbedarf besteht. Es soll dem Kunden möglich sein, informiert zu entscheiden, was er benötigt. Außerdem soll er Leistungen verschiedener Anbieter objektiv miteinander vergleichen können.
Legal Facts
Fakt 1: Das Produktinformationsblatt nach TK-Transparenzverordnung
Wie gerade erläutert, gibt es neben den Vorgaben direkt aus dem Telekommunikationsgesetz, dem TKG, auch von der Bundesnetzagentur festgelegte Regelungen, die sich aus der Transparenzverordnung ergeben. Hierzu gehört unter anderem das Erfordernis, ein sogenanntes Produktinformationsblatt bereitzustellen. Die Vorschrift, aus welcher sich dieses Erfordernis ergibt, ist § 1 TK Transparenzverordnung. Sie besagt, dass bei der Vermarktung von Telekommunikationsdiensten gegenüber Verbrauchern ein Produktinformationsblatt bereitgestellt werden muss.
Die Vorschrift zählt auf, welche Angaben das Produktinformationsblatt, oft auch „PIB“ abgekürzt, enthalten muss. Hierzu gehören
- der Name des Produkts
- im Produkt enthaltene Zugangsdienste,
- das Datum der Markteinführung des Produkts,
- die Vertragslaufzeit,
- die Voraussetzungen für die Verlängerung und Beendigung des Vertrages, sowie
- Angaben zu Datenübertragungsraten und etwaige Volumenbeschränkungen, also z.B. die Angabe, ab welchem Volumen in Gigabyte die Downloadrate reduziert wird.
Auch die für die Nutzung der Zugangsdienste geltenden Preise und schließlich der Name und die ladungsfähige Anschrift des Anbieters müssen im PIB angegeben werden.
Optisch muss das Produktinformationsblatt dem von der Bundesnetzagentur ebenfalls veröffentlichten Muster entsprechen. Es ist nicht möglich, die Pflichtangaben im Rahmen einer eigenen Gestaltung zur Verfügung zu stellen. Stattdessen sieht die Bundesnetzagentur im Rahmen von Online-Vertrieb für das Produktinformationsblatt ein PDF-Dokument über die Länge von maximal einer DIN A4-Seite vor, das heruntergeladen werden kann.
Der Zeitpunkt und Ort der Bereitstellung des PIB ist in § 2 Transparenzverordnung geregelt. Demnach ist die Information ab Beginn der Vermarktung des jeweiligen Produkts in leicht zugänglicher Form zur Verfügung zu stellen. Der Verbraucher muss außerdem auf die bereitgestellten Informationen hingewiesen werden. Die Bundesnetzagentur hat diese Anforderung in einer Anleitung zur Erstellung von Produktinformationsblättern konkretisiert. Dort heißt es, dass die Information mit Beginn der Buchungsmöglichkeit für den Endkunden bereitzustellen ist. In der Praxis und für die eigene Webseite, bzw. den Onlineshop bedeutet dies, dass das Blatt ab dem Moment, ab dem ein Produkt konkret ausgewählt werden kann, zur Verfügung stehen muss. Ein Endkunde muss laut Erläuterung der Behörde ausreichend Zeit haben, um diese Informationen würdigen und in seine Kaufentscheidung einbeziehen zu können. Hierfür ist
„ein Zugriff erst auf Ebene der Tarifdetails oder auf nachgelagerten Ebenen, in denen bspw. die Allgemeinen Geschäftsbedingungen zur Verfügung gestellt werden,“
Bundesnetzagentur, Anleitung zur Erstellung von Produktinformationsblättern
nicht ausreichend.
Für das Produktinformationsblatt gelten im Ergebnis also sehr klare Vorgaben, insbesondere hinsichtlich der Gestaltung. Anders, als bei anderen Informationspflichten nach dem BGB ist Vorsicht geboten, wenn es darum geht, aus Gründen der Effizienz Informationen nur an einer Stelle bereitzustellen. Das Produktinformationsblatt sollte von solchen Überlegungen ausgenommen und Informationen hieraus nicht gekürzt oder ergänzt werden.
Fakt 2: Vertragszusammenfassung nach TKG
Eine weitere Informationspflicht bei Telekommunikationsprodukten ergibt sich direkt aus dem TKG, genauer aus dessen Abschnitt über Kundenschutz. Nach § 54 Absatz 3 TKG ist einem Verbraucher, bevor er seine Vertragserklärung abgibt, eine klare und leicht lesbare Zusammenfassung des Vertrags zur Verfügung zu stellen. Diese muss mindestens folgende Inhalte enthalten:
- Name, Anschrift und Kontaktangaben des Anbieters sowie Kontaktangaben für Beschwerden,
- die wesentlichen Merkmale der einzelnen zu erbringenden Dienste,
- die jeweiligen Preise für die Aktivierung der Telekommunikationsdienste und alle wiederkehrenden oder verbrauchsabhängigen Entgelte,
- die Laufzeit des Vertrages und die Bedingungen für seine Verlängerung und Kündigung,
- die Nutzbarkeit der Produkte und Dienste für Endnutzer mit Behinderungen und
- bei Internetzugangsdienste auch eine Zusammenfassung der gemäß der NetzneutralitätsVO erforderlichen Informationen, was insbesondere Angaben rund um die Internetgeschwindigkeit betrifft.
Auch in Bezug auf die Vertragszusammenfassung gibt es ein Muster – in diesem Fall durch die EU-Kommission festgelegt und veröffentlicht – nach dem sich die Form und Gestaltung des Dokuments zu richten hat. Und falls Euch das bekannt vorkommt, weil Ähnliches bereits im Absatz zum Produktinformationsblatt aufgezählt wurde: völlig richtig! Trotzdem gilt, diese beiden Blätter sind zu unterscheiden und können nicht innerhalb eines Dokuments bereitgestellt werden.
Dies liegt vor allem daran, dass die Informationen zu verschiedenen Zeitpunkten erfolgen. Das Produktinformationsblatt enthält eher allgemein Informationen über das jeweilige Produkt vor der Kaufentscheidung. Die Vertragszusammenfassung bezieht sich demgegenüber auf die ganz konkrete Auswahl des Kunden unmittelbar vor seiner Vertragserklärung, also im Onlineshop unmittelbar vor seinem Klick auf den Bestellbutton. Das kann durchaus auch einmal mehrere Produkte umfassen. Und das stellt die Anbieter – anders, als das PIB, das einmal für jedes Produkt erstellt und unter einem Link zur Verfügung gestellt werden muss – vor die Herausforderung, im Rahmen des weitestgehend automatisierten Bestellprozesses ein jedenfalls teilweise individuelles Dokument zu generieren und live zum Download bereitzustellen.
Trotz dieser Unterschiede bleibt im Ergebnis der Eindruck, dass der Verbraucher doppelt informiert werden muss und die Frage, ob man dies mit der TKG-Reform, als die Vertragszusammenfassung neu eingeführt wurde, nicht hätte bereinigen können. Der Gesetzgeber hat dies – absichtlich oder nicht – nicht getan. Es bleibt dabei, dass beide Blätter durch Telekommunikationsanbieter bereitgestellt werden müssen.
Fakt 3: Konsequenzen bei Nichteinhalten
Wie bei BGB-Pflichtinformationen besteht im Falle eines Verstoßes gegen die Vorgaben zum Produktinformationsblatt oder zur Vertragszusammenfassung für Verbraucher die Möglichkeit, sich an eine Verbraucherschutzorganisation, wie z.B. eine Verbraucherzentrale, zu wenden. Diese, ebenso wie Wettbewerber des Telekommunikationsanbieters können Verstöße abmahnen und die Umsetzung gerichtlich durchsetzen.
Darüber hinaus regelt das Telekommunikationsgesetz ebenso wie die TK-Transparenzverordnung, dass Verstöße gegen die Pflicht zur Bereitstellung der genannten Dokumente Ordnungswidrigkeiten darstellen. Die Bundesnetzagentur kann als Aufsichtsbehörde Bußgelder erlassen. Im Hinblick auf die Vertragszusammenfassung kann das Bußgeld bis zu 100.000 Euro betragen. Und, ebenfalls im Hinblick auf die Vertragszusammenfassung, gilt, dass ein Vertrag ohne deren ordnungsgemäße Bereitstellung nicht wirksam zustande kommt – das ist ein enormes Risiko für Unternehmen, wenn sie sich nicht an die Vorgaben halten.
Das sagen die Gerichte
Hinsichtlich der Vertragszusammenfassung im Onlineshop gibt es derzeit noch nicht viel Rechtsprechung – hier waren die Rahmenbedingungen weitestgehend klar und zum Start des neuen TKG im Dezember 2021 haben sich die Unternehmen – nicht zuletzt wegen des Risikos, unwirksame Vertragsabschlüsse zu generieren – wohl größtenteils an die Vorgaben gehalten.
Unser heutiges Urteil betrifft daher das Produktinformationsblatt. Es stammt vom Oberlandesgericht Köln aus dem Jahr 2021 (OLG Köln, Urteil vom 26.02.2021 – 6 U 85/20). Das war zwar noch vor der TKG-Reform, für das Produktinformationsblatt galten zu dieser Zeit aber bereits die Vorgaben, wie oben erläutert.
Klägerin war eine Verbraucherschutzorganisation, Beklagte ein Telekommunikationsunternehmen. Der Beklagten wurde vorgeworfen, sie habe ihr Produktinformationsblatt um eine Angabe ergänzt, die in der TK-Transparenzverordnung nicht vorgesehen sei. Hierdurch sei das Produktinformationsblatt nicht mehr so transparent, wie die gesetzlichen Vorschriften es verlangten.
Konkret hatte der Telekommunikationsanbieter im Rahmen des Produktinformationsblattes für Internetzugangsprodukte übers Festnetz darauf hingewiesen, dass die Internetgeschwindigkeit bei bestimmten Hausanschlüssen geringer ausfallen könne, als standardmäßig angegeben. Im PIB war daher über ein vom Anbieter als „Rückfalloption“ bezeichnetes Angebot informiert worden – der Verbraucher konnte über einen Link dieses Angebot aufrufen.
Die Verbraucherschutzorganisation mahnte diese Verhalten aus den genannten Gründen ab – maßgeblich bestand der Vorwurf der Intransparenz wegen zusätzlicher Informationen, die im Muster für das Produktinformationsblatt nicht vorgesehen sind. Dem hielt der Telekommunikationsanbieter entgegen, dass diese Information tatsächlich zu einer höheren Transparenz führe, weil der Verbraucher hierdurch erkennen könne, dass in bestimmten Fällen die standardmäßig angegebene Geschwindigkeit definitiv unterschritten werde und wie er dies verhindern könne – nämlich durch Abschluss der „Rückfalloption“.
Das Landgericht Bonn hatte der Klage stattgegeben. Und auch das OLG gab der Klägerin Recht. Die Richter stimmten im Ergebnis dem Vorwurf zu, die zusätzliche, nicht vorgegebene Information im Produktinformationsblatt führe dazu, dass die Transparenz im geforderten Umfang nicht mehr vorliege.
Die Richter führen im Urteil konkret aus, wie folgt:
„Diese zusätzlichen Informationen können nämlich den Standard aufweichen. Eine Rechtsordnung, die auf Informationsgebote setzt, muss bemüht sein, Informationen zu verdichten, zu verknappen und zu strukturieren und dadurch auch die möglichen Informationen zu verkürzen. Hierin liegt auch das Anliegen der TK-TransparenzVO. Sie möchte in einem konkreten technischen Bereich Angebote durch Standardisierung vergleichbar machen. Standardisierung bedeutet dann allerdings auch Begrenzung. Wenn der Kunde anhand des Produktinformationsblattes gewissermaßen auf einen Blick einen Tarifvergleich vornehmen soll, muss das Informationsblatt stets gleich strukturiert und für jeden Anbietertarif auch gleich gestaltet sein. Bei standardisierten Informationen sind Zusatzinformationen problematisch, weil hierdurch ein Anbieter in einem standardisierten Bereich die Standardinformation gerade nicht zu weiteren, nicht standardisierten Angaben nutzen soll. Diese weiteren Angaben mögen richtig oder falsch sein, jedenfalls erzeugen sie beim Rezipienten den Eindruck, dass der den Standard ergänzende Unternehmer etwas bietet, was der Konkurrent, der sich an den Standard hält, möglicherweise nicht bietet.“
Im Ergebnis kann also festgehalten werden: Auch zuviel Information kann falsch sein – selbst, wenn der Inhalt der Information der Wahrheit entspricht.
Zum guten Schluss
Es bleibt dabei: von den Mustern, die die Bundesnetzagentur zum Produktinformationsblatt und die EU Kommission zur Vertragszusammenfassung herausgegeben haben, sollte nicht abgewichen werden – dazu zählt auch, dass nicht mehr Information geliefert werden sollte, als abgefragt. Insgesamt zeigt dieser Beitrag, wie wichtig es ist, neben den Anforderungen aus dem BGB auch spezielle Vorgaben hinsichtlich der eigenen Produkte und Dienstleistungen zu kennen. Solche ergeben sich nicht nur aus dem Telekommunikationsrecht, sondern können ebenso für andere Branchen gelten – informiert Euch hier frühzeitig, bevor Ihr Eure Vermarktung startet.